Märchen rund um den Kochtopf (2) Hänsel und Gretel
Hänsel und Gretel im verwunschenen Schloss
Es war einmal ein armer Holzfäller, der mit seiner Frau und seinen zwei Kindern, Hänsel und Gretel, in einem kleinen Häuschen am Rande des Waldes lebte. Der Holzfäller hatte große Schwierigkeiten, genug Geld zu verdienen, um seine Familie zu ernähren, und so beschloss er, die Kinder in den Wald zu schicken, um nach Holz zu suchen.
Hänsel und Gretel gingen fröhlich in den Wald, aber merkten bald, dass sie sich verlaufen hatten. Verzweifelt wanderten sie stundenlang durch den Wald, bis sie schließlich müde wurden und beschlossen, eine Pause einzulegen. Müde schliefen die Geschwister ein und als sie die Augen wieder öffneten, stand mitten im Wald ein prächtiges Schloss vor ihnen. Hänsel und Gretel beschlossen, nachzusehen, was das für ein Schloss war und ob sie dort nach dem richtigen Weg fragen konnten. Außerdem hatten die beiden Hunger und Durst, vielleicht waren die Besitzer des Schlossen so nett und luden sie auf ein kleines Mahl ein, bevor sie sich auf den Heimweg machten.
Als Hänsel und Gretel das Schloss erreichten, waren sie beeindruckt von seiner Schönheit und Größe. Sie klopften an die Tür, aber niemand öffnete. Da die Tür aber nicht verschlossen war, betraten die Geschwister das Schloss neugierig und ohne Aufforderung. Keine Menschenseele ließ sich blicken, jedoch vernahmen sie ein merkwürdiges Raunen und Flüstern in den dunklen Ecken. Hänsel und Gretel bekamen Angst und hielten sich ganz fest an den Händen. „Hallo, ist da wer?“ rief Hänsel. Als Antwort kam ein lautes, höhnisches Lachen aus der linken Ecke. Gretel zitterte am ganzen Leib. „Oh, Bruder, lass’ uns hier schnell verschwinden. Das ist mir unheimlich. Wir finden auch alleine den Weg nach Hause.“ Zu spät – Hänsel und Gretel hören ein lautes Klicken im Türschloss, als ob sich ein Schlüssel darin dreht. Hänsel rüttelte an der Tür, aber sie war verschlossen. Die Geschwister waren gefangen! Sie entschieden sich, die anderen Räume im Schloss näher zu untersuchen. Schritt für Schritt betraten sie jeden der zahlreichen Räume. In der Küche erblickten sie einen verbeulten Kochtopf, der auf dem Herd stand. Sie wollten schon weitergehen, als der Kochtopf sich plötzlich hin und her bewegte. Gretel schien es so, als hätte sie dabei ein Zischen gehört. Sie nahm den Kochtopf in die Hand. Plötzlich begann der Topf zu sprechen: „Herzlich willkommen im Schloss der lebendigen Gegenstände! Jeder, der eintritt muss eine Prüfung bestehen, ansonsten bleibt er für immer in diesen Hallen gefangen! Und hütet euch vor dem Glockenschlag um Mitternacht, dann können die Gegenstände im Haus nicht nur sprechen, sondern auch für eine Stunde im Schloss herumlaufen und Eindringlingen nach dem Leben trachten. Bis die Uhr zwölf mal geschlagen hat, müsst ihr die Prüfung bestanden haben.“ Hänsel und Gretel erschraken sehr, merkten aber schnell, dass der Kochtopf ihnen freundlich gesinnt war. Sie erzählten ihm von ihrem Schicksal, dass sie sich verlaufen hatten und Hilfe suchten. Der Kochtopf versprach, ihnen zu helfen, sie aber nicht gehen könnten, bis sie sich ihrer Aufgabe stellten und die Uhr Mitternacht schlagen würde.
Hänsel und Gretel beschlossen, das Beste aus ihrer Situation zu machen und das Schloss zu erkunden. Welche Prüfung wartete dort auf sie?
Die Geschwister fanden eine Pendeluhr mit der Aufschrift „Weisheit“, einen Spiegel mit den Worten „Stärke“ und einen Teppich mit der Markierung „Geschicklichkeit“. Wollten die Gegenstände ihnen damit einen Hinweis auf die Prüfung geben?
Der Topf erklärte ihnen, dass die Prüfung tatsächlich aus diesen drei Aufgaben bestand: eine Aufgabe der Weisheit, eine Aufgabe der Stärke und eine Aufgabe der Geschicklichkeit. Hänsel und Gretel mussten alle drei Aufgaben bis Mitternacht abschließen, um das Schloss verlassen zu können.
Hänsel und Gretel begannen ihre Prüfungen und der Topf half ihnen dabei. In der Aufgabe der Weisheit mussten sie ein Rätsel lösen, in der Aufgabe der Stärke einen Drachen besiegen und in der Aufgabe der Geschicklichkeit 1000 Perlen auf eine Schnur auffädeln. Hänsel und Gretel arbeiteten hart und mit der Unterstützung des Topfes schafften sie es, alle Aufgaben zu bestehen bis die Uhr zwölf schlug. Bevor alle Gegenstände zum Leben erweckt wurden, spuckte der Kochtopf aus seinem Inneren den Schlüssel der Schlosstür aus und Hänsel und Gretel konnten rechtzeitig das Schloss verlassen.
Der Kochtopf gab den beiden noch einen mit Feder und Tinte gezeichneten Plan des Waldes mit und dank dieser Hilfe fanden die Geschwister den Weg nach Hause. Als sie dort ankamen, waren ihre Eltern überglücklich und schlossen sie in ihre Arme. Hänsel und Gretel erzählten ihnen alles über ihr Abenteuer im Schloss. Der Holzfäller und seine Frau waren beeindruckt von dem Mut, der Stärke und der Geschicklichkeit ihrer Kinder und schickten sie nie wieder alleine in den Wald.
Und Hänsel und Gretel wussten, dass sie immer in der Lage sein würden, ihren Weg nach Hause zu finden, und das nicht zuletzt durch die Hilfe eines kleinen, verbeulten Kochtopfes.