Märchen rund um den Kochtopf (3) Der Prinz und der Erbsensuppentopf
In unserer Märchenreihe haben wir bislang Märchen der Brüder Grimm in den Fokus gerückt. Diesmal wenden wir uns einem anderen Märchendichter zu: Hans Christian Andersen, der bekannteste Schriftsteller Dänemarks. Bis zu seinem Lebensende schrieb er insgesamt 168 Märchen, darunter auch „Die Prinzessin auf der Erbse“. Bei uns schläft die Prinzessin nicht auf der Erbse, sondern der Prinz mit einem Kochtopf!
Der Prinz und der Erbsensuppentopf
Es war einmal ein König, der hatte eine schöne Tochter, die Prinzessin. Er war sehr stolz auf sie und wollte sicherstellen, dass sie nur den besten Prinzen von allen heiraten würde.
Eines Tages beschloss der König, eine Prüfung für alle Prinzen zu veranstalten, die um die Hand der Prinzessin anhalten wollten. Die Prüfung bestand darin, dass jeder Prinz auf einem Bett aus hundert Matratzen schlafen musste, übereinander gestapelt. Auf dem obersten Bett musste er einen Kochtopf mit einer heißer Erbsensuppe aufstellen. Der Prinz, der am nächsten Morgen ohne einen Tropfen Suppe auf seiner Haut und ohne eine Erbse aus dem Topf zu verlieren aufwachen würde, dürfte die Prinzessin heiraten.
Viele Prinzen kamen und versuchten ihr Glück, aber keiner von ihnen konnte die Prüfung bestehen. Jeder Prinz dachte, dass dies eine einfache Aufgabe war, sie sollten einfach nur vermeiden, einzuschlafen. Doch sie verloren alle in der Nacht eine Erbse nach der anderen, weil sie sich nicht wachhalten konnten und sich im Schlaf zu stark bewegten. Sie wachten mit Suppe auf ihrem Körper auf. Der König schickte sie alle wieder nach Hause.
Schließlich kam ein armer junger Prinz aus einer weit entfernten Stadt angereist, denn die Anmut der Prinzessin hatte sich bis in den entferntesten Winkel des Landes herumgesprochen. Der Prinz hatte kein Schloss und keine Ländereien, aber er war sehr klug und geschickt und wollte sein Glück probieren.
Der König erklärte ihm seine Aufgabe und wies ihm ein Zimmer im Schloss zu. Der junge Prinz ging in sein Zimmer und begann, die Matratzen aufzustapeln. Auf die oberste stellte er den Kochtopf mit der Erbsensuppe. Dann dachte er sich eine List aus. Der Prinz wusste nämlich genau, dass er seine Augen nicht die ganze Nacht aufhalten konnte, trotzdem durfte er nichts aus dem Topf verschütten. Er fertigte ein feines Netz aus Bindfäden und spannte es über den Kochtopf, so dass der Deckel nicht mehr verrutschte. So konnte die Suppe nicht auslaufen und er würde am nächsten Morgen trocken aufwachen und keine einzige Erbse verlieren.
Am nächsten Morgen wachte der junge Prinz auf und fand den Topf noch genauso vor, wie er ihn am Abend auf die Matratze gestellt hatte. Der König war beeindruckt und gab ihm die Erlaubnis, die Prinzessin zu heiraten. Die Prinzessin freute sich sehr, denn sie hatte sich schon beim ersten Anblick in ihn verliebt.
Die Hochzeit wurde mit einem rauschenden Fest gefeiert und das Volk sah, dass die Prinzessin endlich einen Prinzen gefunden hatte, der sie wirklich verdiente.
Der König erkannte, dass es nicht darum ging, wie viel Reichtum oder Besitz ein Mensch hatte, sondern ob er einen guten Charakter hatte. Seine Fähigkeiten und seine Klugheit waren entscheidend. Der König war glücklich darüber, dass seine Tochter einen Prinzen gefunden hatte, der sie aufrichtig liebte. Der junge Prinz und die Prinzessin lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Als der Prinz und die Prinzessin König und Königin wurden, regierten sie das Königreich mit Weisheit und Gerechtigkeit und das Volk liebte sie.
Mit der Zeit wurde die Geschichte des Prinzen und der Prinzessin, die sich durch die Prüfung des Kochtopfs kennengelernt hatten, zu einer Legende. Viele junge Paare träumten davon, eine Liebe zu finden, die so stark und aufrichtig war wie die, die der Prinz und die Prinzessin geteilt hatten.
Der Kochtopf wurde als Erinnerung an ihre Liebe in einem eigenen Raum des Schlosses in einer Vitrine aufbewahrt, wo er von allen besichtigt werden konnte.
Die Erbsensuppe wurden zu einem beliebten Gericht im Schloss und wurden jedes Jahr am Hochzeitstag der Prinzessin und des Prinzen zubereitet, um ihr Glück zu feiern. Die Erbsen waren ein Symbol dafür, dass auch die kleinsten Dinge im Leben von großer Bedeutung sein können und dass Liebe in jedem Detail zu finden ist.
Reisetipp: Die Geburtsstadt Andersens, Odense, ist seit Juni 2021 um eine Sehenswürdigkeit reicher. Der Stararchitekt Kengo Kuma hat mit dem HCAndersenshus ein Museum entworfen, in dem die Märchen und die Welt des dänischen Dichters auf eine ganz neue Art lebendig werden. Für Dänemark-Reisende lohnt auf jeden Fall ein Besuch, am besten Tickets vorher online sichern!